Die Ukraine erlebt derzeit ein Déjà vu nach dem anderen:
1. Die politische Dauerkrise zwischen dem Russland-affinen Ostteil des Landes und dem "Juschtschenko-geführten" Westteil eskaliert mal wieder.
2. Pünktlich vor den Wahlen gehen die Devisen zur Neige ...
3. ... natürlich erneut beeinflusst durch den IWF, der sich via Kreditverknappung auch in diese Wahlen massiv einmischt ...
4. ... sekundiert durch die US-Rating-Agenturen, die das "potenziell-abtrünnige" Land mal wieder abstufen - nunmehr auf "CCC" und damit noch eine Stufe vom offiziellen Staatsbankrott entfernt.
5. Seit dieser Woche nun auch noch eine gesetzlich verfügte Devisen-Bewirtschaftung wie in alten Sowjetzeiten.

Natürlich hängen diese Déjà vus alle miteinander zusammen. Der Westen mit seinen IWF-Werkzeugen und Rating-Bütteln zerrt ebenso wie das Putin-Russland an der "Kornkammer Europas", die zudem ja auch noch Gastransitland Nr. 1 für Europa ist.

Der ukrainischen Regierung blieb jedenfalls wegen der Devisenknappheit und mangels Kreditzugang in der laufenden Woche nichts anderes übrig, als ihren Bürgern den Umtausch der Landeswährung Griwna in harte Devisen auf ca. 1200 EUR zu begrenzen. Auch der Wechselkurs wird künftig vom Staat "gemanagt". Die offizielle Begründung dafür ("Geldwäsche-Bekämpfung") kann man getrost vergessen, denn sie ist in der Ukraine anno 2009 ebenso lächerlich wie bei den diversen US-Geldwäschemaßnahmen mit BigBrother-Hintergrund oder bei den bald auch bei uns weiter verschärften Kapitalverkehrskontrollen.

Bilanziell ist die Ukraine objektiv pleite. Die Devisenreserven sind bald aufgebraucht. Sie hat nur fünf Möglichkeiten:

1. Eisern sparen und ohne weitere Kredite klarkommen: ein fast aussichtsloses Unterfangen inmitten einer Wirtschaftsschrumpfung mit zuletzt -16% und damit der schlimmsten Rezession seit Sowjetzeiten.
2. Eisern sparen und zur "Belohnung" wieder Kredite vom IWF bekommen.
3. Heim zu Mütterchen Russland - eine wenigstens für den westlichen Landesteil wenig attraktive Option.
4. Autark wirtschaften, um von Devisen unabhängig zu werden: für ein kaltes Land ohne eigene Energiequellen keine echte Option.
5. Geld drucken bzw. weitere Schuldscheine emittieren.

Option 5 ist natürlich ein weiteres Déjà vu, denn nichts anderes wird ja bereits seit Jahren getan. In Wahlkampfzeiten ist sie allerdings trotzdem die wahrscheinlichste. Wie aber kann man noch weitere Schulden aufnehmen, wenn der IWF und die Ratingagenturen den Daumen bereits gesenkt haben? Nun denn - man kann prinzipiell immer den Weg Zimbabwes gehen und weiterhin und uferlos in eigener Währung denominierte Bonds begeben. DAS kann kein IWF verbieten. Dummerweise muss man bei diesem Weg mit einem CCC-Rating praktisch wöchentlich höhere Zinsen bezahlen. Der Markt wird aber in diesem Fall an einem bestimmten Punkt die Emission von Bonds in eigener Landeswährung komplett ablehnen - egal zu welchem Zinssatz. Man kann nicht dauerhaft über seine Verhältnisse leben und sich "reich drucken".

=> An diesem Punkt bleibt nur der harte und nicht rückholbare Weg der Verschuldung in FREMDwährung. Und hier schließt sich der Kreis: die Ukraine kann auch dies ohne IWF-Placet nicht tun. Jedenfalls nicht bei den aktuellen Wirtschaftsdaten des Landes. Das österreichische "Wirtschaftsblatt" meinte dazu gerade:
"Woher das Geld kommen soll, ist angesichts eines Budgetdefizits von 10% nicht abzusehen."

=> Soweit so klar. Viele Leser werden sich nun fragen "So what? Diese Mischung aus selbstverschuldetem Schuldendilemma und Erpressung durch den IWF kennen wir doch schon lange von [wahlweise] Argentinien, Venezuela, Mexiko, usw".

=> Aber denken wir einen Schritt weiter und über den großen Teich: Die USA stehen derzeit nicht bei 10%, sondern über 11-12% Budgetdefizit. Sie haben dennoch weiterhin ein "AAA"-Rating statt ein "CCC". Sie haben keinen IWF im Nacken, der "eisernes Sparen" einfordern würde. Sie dürfen Geld drucken ohne Ende und können auch weiterhin in eigener Währung beliebig viele Bonds auflegen und sich so refinanzieren.

=> Also mal wieder ein Fall von "manche sind eben gleicher"? Ja und Nein: Der Weltleitwährungsstatus des Dollars macht den ganzen Unterschied zwischen Dollar und Griwna aus! Aber wie lange noch?
Bud Conrad von Casey Research hat eben folgende Aufschlüsselung des US-Staatsdefizits vorgestellt mit einer (u.E. realistischen) Fortschreibung des Defizits bis 2013
:

=> Was lernen wir hier? Von den 4 möglichen aktuellen und künftigen Käufergruppen für US-Bonds
a) [in der Grafik blau] sind die Agencies (social security & medicare - Rücklagen) irrelevant, da sie letztlich der Staat selbst sind
b) [in der Grafik rot] sind die Ausländer (China, Japan, Araber, EUropäer) nicht mehr bereit, NOCH mehr T-Bonds zu kaufen
c) [in der Grafik grün] sind die inländischen, privaten US-Gläubiger nur noch in der Lage zu kleineren Steigerungen ihrer Käufe
d) [in der Grafik lila] ... bleibt also nur die Fed selbst und damit die Inflationslösung! Den USA bleibt in den kommenden Jahren nichts anderes übrig als immer mehr T-Bonds SELBST zu kaufen / zu monetarisieren.

=> In "Die sechs Reiter der wirtschaftlichen Apokalypse" (siehe Messemagazin der Edelmetall- und Rohstoffmesse der Goldseiten; noch nicht online) habe ich argumentiert, dass AUCH für die USA wie für jedes überschuldete Land der Tag der Offenbarung (wörtliche Übersetzung von "Apokalypse") kommen wird, an dem auch US-Bonds vom Markt NICHT mehr in US-Dollar denominiert akzeptiert werden. Bud Conrads Grafik und Prognose deutet darauf hin, dass wir nur noch wenige Jahre von diesem Punkt entfernt sind. Nur der Status des Dollars als Weltleitwährung hat den USA diesen "Offenbarungs"-Eid im Gegensatz zur Ukraine noch erspart. Aber bei 2010ff weiterhin mit jährlich 1-2 Billionen Dollar ansteigendem US-Defizit und bei den zunehmend komplett monetarisierten Anleihe-Emissionen der USA rückt er rasch näher. Erwarten Sie dann auch dort und auch im Dollar-Derivat-Land EUropa die ukrainische "Lösung": Devisenbewirtschaftung und damit zwingend verbundene Schwarzmärkte.

PS: Sehr übliche "Währungen" auf Schwarzmärkten sind übrigens Zigaretten, Schnaps, Rasierklingen, Waffen, Essbares, Silber und Dienstleistungen aller Art (soweit sie Bedürfnisse bedienen, die nach Maslow existenziell sind)...