Heute ist ein hoher Feiertag. Seit gestern haben wir die Zusage von Finanzminister Schäuble persönlich, dass Gold- und Silberzertifikate künftig nur noch einer ermäßigten Abgeltungssteuer unterliegen werden. Und sogar Kursgewinne auf gewöhnliche Aktien werden Abgeltungssteuer-reduziert werden.
Das glauben Sie nicht? Nun - es ist zugegebenermaßen meine eigene -allerdings wohl begründete- Interpretation der Pressekonferenz, die Schäuble gestern zu geplanten "Steuersenkungen" gegeben hat. Diese dürfen zwar offenbar nicht so heißen - aber es kommt sogar besser für den Bürger, denn Schäuble sprach vom "Verzicht auf nicht gewollte Steuereinnahmen" [sic!]. Und gemäß dem heutigen Wirtschafts-Leitartikel in der Süddeutschen ("Der Fiskus will nicht jedes Geld") meint Schäuble mit "nicht gewollten Einnahmen" folgendes:
"Nicht gewollte Einnahmen sind nach Schäubles Worten solche, die dem Staat durch kalte Progression zufließen. Diese schlägt immer dann zu, wenn die Lohnabschlüsse unter oder gleich der Preissteigerung des vergangenen Jahres liegen. Weil ... [der Steuerzahler] im Steuertarif aber trotzdem nach oben rutscht, hat er real weniger in der Tasche."
=> Wir haben es also schriftlich: der Staat verzichtet auf "nicht gewollte" Steuern - und meint explizit Steuern auf inflationsbedingte Einkünfte. Warum aber sollten Goldanleihen oder Silberzertifikate steigen, wenn nicht aus Inflationsgründen? Sie sind neben den natürlich ohnehin Abgeltungssteuer-freien physischen Goldmünzen bzw. Silberbarren die Inflations-Absicherungs-Anlagen schlechthin! Der einzige Grund, Edelmetall-Derivate (Longseite) zu kaufen, ist doch just das Ziel, an einer Wertsteigerung zu partizipieren, die durch nichts anderes als die exzessive Geldmengenaufblähung (also "Inflation" / "inflare" / "Aufblähung") zustandekommt! Wie auch sonst - Gold und Silber sind tote Metalle, die aus sich heraus keinerlei Wertsteigerungspotenzial erwirtschaften könnten.
Exkurs: Der einzige weitere plausible Grund, warum Gold und Silber ohne Inflationsgefahr steigen sollten, wäre natürlich das heute noch immer spottbillige Einkaufsniveau wegen der seit Jahrzehnten anhaltenden Manipulation der Kurse nach unten. Die Erwartung eines Zusammenbruchs dieser Manipulation der Gold- und Silberpreise macht Edelmetall-Zertis aus Anlegersicht noch zusätzlich attraktiv. Da aber die Weltregierer eine solche Manipulation ja keinesfalls zugeben würden, können sie künftige Gewinne auch niemals auf diese Ursache zurückführen und somit auch nicht besteuern. In diesem Sinne wären auch "Manipulations-Zusammenbruchs"-Gewinne in neuer Schäuble´scher Fiskalterminologie "nicht gewollte" und eigentlich gar nicht existente Einnahmen" und damit natürlich auch nicht Abgeltungs-besteuerbar.
Insgesamt gesehen ist der Verzicht auf "ungewollte Inflationseinkünfte" eine doch bemerkenswert logische und löbliche Volte der Bundesregierung. Ich muss daher -auch wenn es schwer fällt- Herrn Schäuble für diese seine geradezu "Österreichische" Einsicht große Anerkennung aussprechen! Dies besonders vor dem Hintergrund meines Blogeintrags vom 29.7.2009, in dem ich die (damalige) Einführung der Abgeltungssteuer gerade auf Goldzertifikate und Inhaberschuldverschreibungen auf Gold und Silber als "Inflationssteuer" kritisiert hatte. Zitat von damals:
"Wie schon immer gemutmaßt, will der Fiskus nun die Inhaberschuldverschreibungen auf Gold und Silber wie Papierzertifikate bzw. wie Wertpapiere behandeln und somit der Inflations- Abgeltungssteuer unterwerfen."
Ein Wort noch zu den oben bereits genannten gewöhnlichen Aktien: auch Kursgewinne auf diese dürften gemäß der neuen Steuerdenke in Berlin künftig erheblich begünstigt und von der kalten Progression ausgenommen werden. Warum, fragen Sie? Nun - vergessen wir nicht, dass im Zeitalter der Exzesse mit ungedecktem Papiergeld Unternehmensgewinne zu einem ganz erheblichen Teil nicht auf gesteigerte Effizienz und reales Marktwachstum zurückzuführen sind, sondern dass Kurse von Aktien seit etwa 1995 in erster Linie im Tidenhub der Liquiditätsozeane steigen und fallen - ob es eingefleischten Mikroanalysten und Value Investoren nun gefällt oder nicht. Und seit vielen Jahren steigt diese Tide eben von wenigen Phasen des Pegelrückgangs abgesehen ständig an. Professor Hamer hat schon vor sechs Jahren in einer Abschätzung festgestellt, dass die Geldmenge seit Anfang der 1970er Jahre zehnmal schneller gestiegen ist als die Gütermenge. Und ich selbst habe 2004 ebenfalls hier auf den Goldseiten den Geldmengen- bzw. Inflations-bedingten Anteil der Kursgewinne seit 1971 auf annähernd 100% geschätzt (hier, S. 10f):
"Man kann mit gewissem Recht argumentieren, der gesamte akkumulierte BIP-Zuwachs [hoch korreliert mit den Aktienindices] von 1971 bis heute in Höhe von etwa 7,5 Billionen Dollar sei ausschließlich durch Verschuldung entstanden. Die M3-Steigerung in diesem Zeitraum war mit etwa 8,5 Billionen Dollar nicht zufällig fast gleich hoch. In diesem Sinne hätte US-Finanzminister Snow sogar recht mit seinem unfassbaren Kommentar: 'Das Defizit reflektiert den wachsenden Reichtum der Amerikaner' ..."
=> Schon damals also gab es sehr hohe inflationsbedingte Scheingewinne: bei allen Anlageklassen - aber eben auch bei den angeblich "realwirtschaflichen" Aktientiteln. Und wer würde heute anno 2011 daran zweifeln, dass auch nach den völlig unverantwortlichen Billionen-schweren Bailout-Verschuldungs-Exzessen seit 2007 dieser Prozentsatz im großen Durchschnitt (und von wirklich gesund wachsenden, innovativen und real wertschöpfenden Ausnahmeunternehmen abgesehen) noch immer bei mehr als 80%, ja vielleicht sogar inzwischen bei 150% liegt? Solche Zweifel wären in unserer heutigen Papiergeld-Schein-Welt, in der 1 Dollar an keynesianisch-kreditfinanziertem "Stimulus" gerade noch 0,1 Dollar an realwirtschaftlichem Wachstum erbringt (mit schneller Tendenz gegen 0 Dollar !) kaum plausibel...
Ob Herrn Schäuble bei seiner PK gestern bewusst war, dass noch in diesem Jahrzehnt Zeiten kommen werden, in denen über fast alle Steuerarten hinweg fast nur noch die Inflation überhaupt besteuerbare (Schein)Gewinne induziert? Ein expliziter -und natürlich völlig gerechtfertigter- Verzicht auf deren Besteuerung könnte eines nicht allzu fernen Tages eine Situation herbeiführen, in der von den dann vielleicht 300 Billionen [heute gut 3 Billionen] EUR an deutschem BIP nur noch vielleicht 1 Billion reales Volkseinkommen darstellen und damit besteuerbar wären! Willkommen in 1922/23. Berlin ist nicht weit von Weimar. Weder geographisch noch ideologisch.
Aber zum Glück ist das Schäuble nicht bewusst, denn geradezu trotzig gab er gestern auch noch offiziell bekannt: "Diese Regierung setzt auf Stabilität, nicht auf Geldentwertung" ...
=> Also ist es offiziell: Trotz des Geldsozialismus für die Banken werden wir keine Teuerung bekommen. Und selbst die gemäß amtlicher Stabilitäts-Verfügung ohnehin geringen Inflations-bedingten Einkommenszuwächse müssen wir künftig nicht versteuern. Jedenfalls nicht progressiv. Steuerzahler freut euch!