Paul Kirchhof hat die Gnade der frühen Geburt: als Verfassungsrichter wirkte er in der Ära vor dem Euro. Und er hatte zu Beginn seiner Karriere am BVerfG auch die Gnade, weder bei der totalitären Umwandlung der EWG zur EU noch bei der Vorbereitung des EUR in den diesbezüglich rechtsbeugenden relevanten Senaten des BVerfG zu sitzen. Als positiver Höhepunkt seiner Karriere ist der relativ bürgerfreundliche „Halbteilungsgrundsatz“ von 1995 zu nennen, der allerdings seit 2006 bereits wieder juristische Geschichte ist. Und bald auch wieder faktisch-steuerrechtliche Geschichte, denn der Leviathan wird spätestens beim Fälligwerden der ESM- und EZB-Garantien (von Prof. Sinn bereits heute auf fast 1 Billion EUR geschätzt – was die tatsächliche Lage noch um etwa den Faktor 2-3 unterzeichnet) vielen Bürgern wieder mehr als die Hälfte seiner Einkünfte wegsteuern oder gleich konfiszieren!
In einem von fehlendem Geld- und Wirtschaftsverständnis geprägten Interview im heutigen Handelsblatt erfindet Kirchhoff ohne „Auftrag“ (da seit 14 Jahren als Verfassungsrichter verrentet) ein neues Grundrecht, das in den kommenden Tagen medial noch Furore machen wird: Ein „Grundrecht auf ertragfähiges Eigentum“, das er in Zeiten der Nullzinspolitik der EZB als gefährdet ansieht. Aus Sparer-Perspektive klingt das zwar irgendwie gut; ist aber letztlich fehlgeleitet (dazu unten mehr). Zunächst steht zu erwarten, dass Kirchhof in den kommenden Tagen insbesondere in den linken Medien massive Schelte bekommen wird. Auch sein Halbteilungsgrundsatz von 1995 (so erfreulich der damals auch war in Zeiten, in denen schon der Spitzensatz alleine nur der Einkommensteuer bei 53% lag) konnte mit gutem Recht von linker Seite angegriffen werden, denn die 50% waren damals doch sehr willkürlich gewählt und keineswegs direkt aus Art 14 GG ableitbar, so sehr sich auch ein Minimalstaatler maximal etwa 10% wünschen würde. Und so steht auch sein heutiges Postulat im Handelsblatt vom „Grundrecht auf ertragfähiges Eigentum“ auf extrem wackligen Beinen, was die vereinigte deutsche Linke schon sehr bald schreiben wird.
=> Aber die linke Sicht soll uns heute hier nicht kümmern. Wir sezieren im Folgenden aus liberaler und gutgeldlicher Sicht einige oberflächlich betrachtet wohlklingende Sprüche aus dem Kirchhof-Interview. Um dann festzustellen, dass Herr Kirchhof im erreichten hohen Alter lediglich ein wenig Apologie seiner juristischen Verbrechergeneration beim BVerfG betreibt, indem er nach dem bekannten Waigel´schen Motto „Wir haben alles richtig gemacht – aber die böse Politik setzt unsere Vorgaben nicht um“ faktisch alle EU- und EUR-Urteile verteidigt; dabei aber lediglich mit dialektischen und vielfach zustimmungsfähigen Plakat-Formulierungen Zustimmung bei der Leserschaft erheischen will.
1. Es beginnt schon bei der Überschrift: „Wir fahren gegen die Wand“
=> Welcher liberale Geldtheoretiker oder welcher Goldbug könnte solcher Weisheit wohl widersprechen? Man gibt dem HB-Publikum gleich mit der Überschrift ein gutes Gefühl: „Wir wissen um die EUR-Probleme; und wir kümmern uns – ihr intuitiv besorgten aber ahnungslosen Stammtischbürger müsst euch also nicht kümmern – wir bewährten Eliten mit dem guten Namen Kirchhof haben die Lösung für eure Probleme.“
2. „Besonders zufrieden bin ich mit dem Jahr 2009 [da war K. schon 10 Jahre pensioniert]. Da hat [der Gesetzgeber] entschieden, dass Kredit als Finanzierungsquelle des Staates grundsätzlich nicht mehr zur Verfügung steht. Das Kernproblem ist die Staatsverschuldung.“
=> Hört, hört. Kein Wort davon, dass die Aufschuldungs- und Aufgarantierungsorgie dann seit 2010 (EFSF, EZB, ESM, Bankenunion, usw.) billionenschwer erst richtig losging! Und vor 2009/1999 war die Staatsverschuldung i.V.m. dem Falschgeldsystem natürlich ebenfalls bereits ein Riesenproblem. Kein Wort dazu von Kirchhof in all seinen aktiven Jahren. Warum interviewt des Handelsblatt Leute, die es schon immer NICHT gewusst/gesagt haben, als sie noch etwas zu sagen hatten?
3. [Auf Hinweis des HB-Interviewers, dass die Politik doch weiter Schulden mache:] „Ich weiß, dass sich am Ende das Recht durchsetzt.“
=> Sic! Realitätsblindheit ohne Worte. Man lese zB hier im Blog „Nicht im Namen des Volkes (I bis IV)“. Rechtsbruch und Rechtsbeugung haben in EURopa eine jahrelange Tradition; allerspätestens seit 2005 (Bruch des Stabilitätspaktes).
4. „Wir versuchen, die Stabilität der Währung zu organisieren bei Instabilität des Rechts. Das kann nie gelingen.“
=> Gut gebrüllt, Verfassungslöwe. Und nicht zum ersten Mal. Doch schon 2012 musste ich in einem Vortrag darauf hinweisen, was der dialektische (schizophrene?) Kirchhof eben auch sagt:
=> „Wenn die finanzwirtschaftliche Realität [in ESM- und EZB-Europa] derzeit weit vom rechtlich Zulässigen entfernt ist, kann der Staat das Beste –die Legalität– noch nicht erreichen , wird aber das Gute tun. Er kehrt Schritt für Schritt zum Recht zurück, erreicht in stetiger Annäherung letztlich das Ziel der Stabilität des Rechts und der Währung“: So so. Nun denn, Herr Professor Kirchhof. Das war vor mehr als einem Jahr. Dumm nur, dass wir seitdem in keiner Weise irgendetwas von dieser erwarteten „Wieder-Annäherung an Stabilität und Recht“ sehen! Ganz im Gegenteil – inzwischen hat Schäuble sogar die ultimative Bankenhaftungsunion (vulgo „Sparersozialismus“ bzw. „Billionenschwere Enteignung des Michels im Namen Süd-EURopas“) beschlossen – und BVerfG-Voßkuhle wird auch diesen Wahnsinn noch irgendwie als verfassungskonform durchgehen lassen, denn bekanntlich ist ja in der unsäglichen Interpretation des Herrn Voßkuhle „das oberste Ziel des GG die EUropäische Assimilation Integration Deutschlands“…
=> Logenbrüder unter sich. Gehören Sie auch dazu?
5. „Zweifellos ist die Europäische Union als eine Lerngemeinschaft angelegt. Europa ist ein großes Experiment.“
=> Ach ne, Herr Professor. Erzählen Sie uns was Neues. Dumm nur, dass weder Ihre Richterkollegen Papier oder Herzog noch die Mischpoke um Kohl / Waigel / Genscher / Schröder / Fischer uns zu Ihrer Zeit je diese Wahrheit zum superteuren „Experiment“ namens EU erzählt haben. Obwohl es genügend Mitdenker gab, die den EU-Bundesstaat und seinen EURo mit allerbesten Gründen nicht nur abgelehnt, sondern damals schon in Ihrem Karlsruher Palast auch beklagt haben. Brunner, Hankel, Schachtschneider und Co fanden damals kein Gehör.
=> Und wir erzählen Ihnen auf Basis der schon damals in den 1990ern bekannten Argumenten noch etwas „Neues“: Das EU(R)-Experiment wird SCHEITERN. Es ist ein Naturgesetz, dem jede Fehlkonstruktion unterliegt. Gleichmacherei von heterogenen Räumen und Kulturen kann apodiktisch nicht funktionieren. Lesen Sie gerne auch das neue Buch von Oliver Janich zu weiteren Hintergründen der „Vereinigten Staaten von Europa“. Es steckt enorm viel Hybris in der EUropäischen Idee. Gleichschaltungswahn der planwirtschaftlichen Welt-Machteliten seit Coudenhove-Kalergi oder auch seit Hitler. Wann sagen Sie DAS dem Handelsblatt, wenn Sie denn schon korrekt erkennen „Freiheit und Autonomie heißen, sich unterscheiden zu dürfen…“ ?
6. Nun aber zum eigentlichen Kracher Ihres Interviews: „Das Verfassungsrecht verspricht jedem Bürger … einen jährlichen Ertrag auf sein Finanzkapital. Dieses Versprechen wird nicht mehr erfüllt. Eine Kernidee des Privateigentums ist abgeschafft. … Es gibt ein Grundrecht auf ertragsfähiges Eigentum. … Wesentliche Formen sind mit der EZB-Zinspolitik aber ertraglos geworden.“
=> Wow. Die Botschaft hört man wohl. Doch was machen wir daraus? Zwei grundlegende Kritikpunkte hieran:
a) Das steht so nicht im GG Art. 14. Und ist so auch nicht ableitbar. Da die Linke und ihre zahllosen Medien ganz ohne Zweifel diesen Punkt aufgreifen und Ihre Rechtsauffassung in der Luft zerreißen werden, sparen wir uns hier und heute jeden Kommentar dazu. Es wäre ja oberflächlich betrachtet nett, wenn es ein solches Verfassungsrecht auf Rendite gäbe - auch wenn man sich durchaus die Frage stellen sollte, wer denn dann noch bereit wäre, Kapital (= ehrlich erarbeitetes Sparkapital) unternehmerisch (= ehrlich und produktiv unter Inkaufnahme von Risiko) zu investieren, wenn es Rendite auch per einklagbarem Verfassungsrecht gäbe…
b) In einer marktwirtschaftlichen Welt mit ebensolchem guten, marktfähigen Geld ist ein solches Recht auf Rendite in jedem Fall völlig unnötig! Herr Kirchhof: Sie sind seit 2009 Preisträger der „F.A. von Hayek-Stiftung“ (nicht zu verwechseln mit der „F.A. von Hayek-Gesellschaft e.V.“). Als solcher sollten Sie unbedingt Hayeks wichtigstem Vorschlag zustimmen: dem Wettbewerbsgeld, das zugleich jede Zinsintervention einer Notenbank völlig obsolet macht – und damit auch jedes „Recht auf Rendite“! In wichtigen Werk „Denationalisation of money“ schrieb Hayek schon 1976 (und damit 16 Jahre vor Maastricht): „[Free choice of currency] seems to me both preferable and more practical than the utopian scheme of introducing a European currency.“
=> Man konnte beides schon in den 1970ern erkennen, Herr Professor: Sowohl das Problem einer Gemeinschaftswährung mit Monopolstatus. Als auch die Lösung im freien Geldwettbewerb. Als Hayek-Preisträger müssten Sie das ebenfalls erkennen – spätestens seit 2009 und damit immerhin 33 Jahre nach der Geburt von Hayeks Idee! Warum aber sagen Sie als wichtiger Multiplikator es dann selbst 2013 noch immer nicht dem Handelsblatt?
Fazit: Ein ungenügendes und irreleitendes Interview. Trotz einiger pointiert formulierter Teilwahrheiten. Solange sogar die pensionierten Eliten sich noch immer nicht trauen, die volle Wahrheit und die richtige Systemkritik zu bringen, besteht für Deutschland keine Hoffnung. Neue Eliten braucht das Land. Eine neue Währung ohnehin. Natürlich eine im Hayek´schen Geldwettbewerb frei gefundene! Europa und die Welt brauchen kein „Grundrecht auf Rendite“. Wir brauchen aber auch keine planwirtschaftlichen Zentralbank-Behörden, deren Zinssetzungs-Monopol Sie im Interview irrationalerweise auch noch das Wort reden („Derzeit brauchen wir niedrige Zinsen.“). Nein: wir brauchen den freien Geldwettbewerb. Ein Ende der am 23.12.2013 dann genau 100-jährigen Zinsmanipulation durch Fed & Co. End the Fed. End the ECB. Beenden wir endlich den Teufelskreis der Markt- und Gesellschaftsmanipulation!