Kennen Sie Richard Duncan von "Blackhorse Asset Management"? Nein? Ein großes Manko: Der Mann ist nicht nur prominent und im Handelsblatt als Goldexperte zitabel, sondern ganz offenbar ein Insider des Goldmarkts. Im heutigen Handelsblatt lüftet er den Schleier von einem der bestgehütetsten Geheimnisse der Goldwelt: "Wie viel Staatsgold haben die USA noch?". Im Mainstream wird ja seit Jahrzehnten immer die offizielle und seit ca. 1970 unveränderte Zahl von etwa 8100 Tonnen bzw. 261m Unzen berichtet. Und im heutigen Handelsblatt wird Insider-Ritchie zitiert mit der (impliziten) Angabe 343 Tonnen. :!: Das glauben Sie nicht? Lesen Sie es nach: Handelsblatt von heute 3. März, Seite 32f: "China häuft einen Goldschatz an" [nur im Abo online]. Richard Duncans Zitat lautet wörtlich: "Das Letzte, was China will, ist ein Goldstandard. Bei der aktuellen Rate des Handelsbilanzdefizits würde es nur drei Wochen dauern, bis China alles Gold der Vereinigten Staaten hätte."

Zur Berechnung der o.g. 343 Tonnen kommen wir gleich. Halten wir zuvor kurz inne und gratulieren wir Duncan zu einem im Prinzip richtigen Argumentations-Ansatz. Endlich denkt wieder jemand in Kategorien und Wirkungsmechanismen des ja leider vor 40 bzw. vor fast 100 Jahren von uns gegangenen genommenen Goldstandards, in dem Handels- und Leistungsbilanzdefizite eines Staates ggü. einem anderen zwingend zu Goldabflüssen des ersteren ggü. dem letzteren führten. Und dieser Mensch ist sogar damit zitabel im Mainstream. Seit Zoellicks Vorpreschen vor einigen Monaten scheinen doch eine Menge Denkverbote zu fallen - auch wenn Ben Bernanke eben erst wieder mal die Goldstandard-Debatte abwürgen wollte. Als ich Ende 2004 eine ähnliche Rechnung zu potenziellen US-Goldabflüssen aufmachte (hier, S. 3/4) , war diese logische und im klassischen Goldstandard des 19. Jahrhunderts ebenso wie auch noch im Bretton Woods System für Staaten existenziell relevante Argumentation im Mainstream nicht denkbar und noch weniger druckbar. Insofern immerhin ein Fortschritt, dass diese völlig natürlichen ökonomischen Debatten nun endlich wieder führbar sind. Schließlich war der klassische Goldstandard mit seinen zwischenstaatlichen Gold-Zu- und -Abflüssen ein unbestechliches und ohne die heute in Politik und bei Notenbanken so beliebten planwirtschaftlichen Eingriffe funktionierendes Regulativ, sobald ein Staat über seine Verhältnisse lebte [oder auch wenn er unter ihnen lebte].

=> Allerdings: WENN der Mainstream nun wieder in Kategorien potenzieller Goldflüsse argumentiert, dann sollten die Daten auch stimmen. Und im Falle des o.g. Duncan-Zitats gibt es nur zwei Möglichkeiten:

1.) Entweder Duncan hat sich mit seinen "Drei Wochen bis alles Gold der USA in China ist" SEHR gründlich verrechnet - etwa um den Faktor 24 ... XX(

2.) Oder Duncan hat Insiderinfos, dass der US-Staatsgold-Schatz um fast 96% kleiner ist als offiziell angegeben.
:!:

Hier die Berechnungen:

ad 1.)
Die aktuellsten Angaben zum Handelsbilanzsaldo zwischen den USA und China lieferte vor einigen Tagen die NZZ unter Bezug auf Reuters: Für 2010 werden dort 274 Mrd US-$ ausgewiesen (365 Mrd $ chinesischer Exporte in die USA vs. 91 Mrd. $ amerikanischer Exporte nach China). Würde China -wie von Duncan insinuiert- diesen GESAMTEN Positivsaldo direkt für Aufkäufe (ausgerechnet) amerikanischen Staatsgolds nutzen (was übrigens einer direkten Kriegserklärung gleichkäme), dann entspräche das zu aktuellen Goldpreisen etwa 191m Unzen oder etwa 5960 Tonnen in einem Jahr. Das amerikanische Staatsgold könnte China bei dieser Runrate also nicht in "Drei Wochen" (Duncan), sondern in etwa 71 Wochen verschiffen lassen und heim ins Drachenreich holen! Nicht dass knapp anderthalb Jahre in chinesischen Zeitvorstellungen eine lange Frist wären. Aber das Handelsblatt bzw. seine "Experten" sollten schon die Kirche im Dorf bzw. das Gold noch ein Jahr länger in New York lassen...

ad 2.)
Alternativ hierzu gibt es natürlich die These "Duncan ist ein echter Insider und weiß mehr als wir sterblichen Goldbugs". Dass die USA ihre 8100 Tonnen schon seit Jahrzehnten auf Nimmerwiedersehen "verliehen" und/oder heimlich an reiche Insider mit Goldstandard-Erwartung verkauft haben, ist in Goldkreisen ein sich hartnäckig haltendes Gerücht. Sollten die USA tatsächlich nur noch gut 4% ihrer Tonnage besitzen (also ca. 343 Tonnen; entsprechend 16 Mrd $ bzw. 3 Wochen Handelsbilanzdefizit mit China), dann hätte Duncan diese Gerüchte bestätigt. Eine wichtige Verschwörungs-theorie von gestern würde zur Realität von heute und der Goldpreis vermutlich explodieren. Durchaus plausibel - auch vor dem Hintergrund aktueller Aussagen der UBS, wonach China alleine im Januar und Februar 2011 über 200 Tonnen Gold aufgekauft hat (!). Dies vermutlich nicht komplett und direkt vom US-Treasury - aber es gibt ja noch andere Horte in der Welt...

Sie haben als Leser nun wie auch das Handelsblatt die Wahl, ob Sie Version 1.) oder 2.) für richtig erachten. Eine davon ist korrekt. Und zusammen sind sie somit alternativlos ;-)

Ergänzung: In den letzten Tagen gab es Meldungen, wonach der chinesische Handelsbilanzüberschuss am Schrumpfen sei. Falls das sogar ggü. den USA stimmen sollte, dann veränderte sich zwar die obige Rechnung. Allerdings würden Duncans "Drei Wochen" dadurch nicht wahrer, sondern sogar noch abwegiger.

Trotzdem halten wir gerne fest - ganz auf Linie der im Prinzip (wenn auch nicht in den Zahlen) durchaus korrekten Argumentation Duncans: Ein neuer Goldstandard würde massive Verschiebungen der Goldreserve-Tonnagen zwischen den Ländern herbeiführen - übrigens auch sehr stark in Richtung des Vize-Exportweltmeisters Deutschland. Ein wichtiges Wort des Trostes allerdings für die USA: Eine Aufwertung der Goldunze um einen kleinen Faktor 10 auf dann gut 13.000 $/oz würde aus den o.g. 71 Wochen bis zur Staatspleite mangels Staatsgoldes locker 13 Jahre machen! Sogar unter Berücksichtigung anderer goldgeiler Aasgeier mit Handelsbilanz-überschüssen ggü. den USA (Saudi-Arabien, Deutschland, Korea, Kuweit...) wären es sicher noch immer 8 Jahre oder so. Und in 8 Jahren könnte sich die heutige amerikanische Importwirtschaft doch problemlos in eine Exportwirtschaft um-erfinden. Wozu ist man denn "America the great and beautiful" und das Land der Tellerwäscher, das irgendwann auch wieder realwirtschaftlich produktiv arbeitende und damit ehrlich sparfähige Unzen-Millionäre hervorbringen wird ...