Wie genial, unbestechlich und unbürokratisch einfach war in manchen Dingen doch das gute alte System des klassischen Goldstandards, das via Bretton Woods immerhin im Außenhandel noch bis 1971 konserviert worden war. Und wie schwierig ist dagegen die hohe Kunst der Makroklempnerei Makrosteuerung im Außen- bzw. EU-Binnenhandel anno 2011. Heute bedarf es einer EU-Kommission mit Zehntausenden von Zuarbeitern, Lobbyisten und internationalistischen „Beratern“ sowie eines EU-Parlaments mit fast 1000 MdEUPs und ebenfalls zehntausendköpfigem Wasserkopf, um im Außenhandel „Stabilität“ hereinzubekommen und so einfach Dinge wie ausufernde Leistungsbilanzüberschüsse und -defizite in den Griff zu bekommen.
Über lange Strecken des 19. und 20. Jahrhunderts bis eben zum 15. August 1971 stellten Verschiebungen der Staatsgold-Vorräte unter ungleichen Handelspartnern immer sehr schnell wieder die heute im Euro-Raum oder auch zwischen zB China und den USA scheinbar so unendlich schwer herzustellende „Stabilität“ her! Niemand konnte lange über seine Verhältnisse leben, keine administratven Wasserköpfe mussten sich sinnlose Gedanken zur Verzögerung des Unvermeidlichen machen, keine großen Geithner-Brüder gar noch den weisen Rat der Weltregierung persönlich nach Brüssel tragen: wie durch ein dauerhaftes Wunder blieben die Leistungsbilanzsalden selbst zwischen ökonomisch unterschiedlichsten Ländern immer nahe Null, was heutzutage selbst bei so einfacher Kontenführung wie zB den EZB-Transferkonten namens „Target2“ nicht mehr gelingen will. Fast ist man geneigt zu sagen: „Ach wie war es doch vordem – für Händler im Goldstandard so bequem.“
Ende der Nostalgie – hier die EU-Realität; dargestellt anhand von kommentierten Auszügen aus einem aktuellen FAZ-Artikel.
Stabilitäts- und Wachstumspakt: Einigung der EU steht bevor
"In dem seit Monaten schwelenden Streit über die geplante Verschärfung des Stabilitäts- und Wachstumspakts steht eine Einigung offenbar kurz bevor: … dass Staaten mit einem Leistungsbilanzüberschuss aufgefordert werden, diesen etwa durch die Stimulierung der Binnennachfrage zu senken. Dagegen hatte sich Deutschland bisher gesperrt."
=> Die klassischen Varianten eines Staates (besser: einer Volkswirtschaft), einen durch „zu große“ Handelserfolge erzielten dauerhaften Leistungsbilanzüberschuss abzubauen, waren sogar noch nach 1971 rein marktwirtschaftliche:
- Aufwertung der eigenen Währung und damit Verteuerung von Exporten und Verbilligung von Importen
- Lohnerhöhungen und damit Preiserhöhungen von Exportwaren
=> Beides erhöht den Wohlstand einer Bevölkerung, verschlechtert allerdings automatisch und gewollt die Wettbewerbsfähigkeit zugunsten der anderen Länder. Letzteres ist ein sinnvoller Automatismus, denn natürlich müssen die Leistungsbilanzen aller Staaten sich in Summe immer auf Null saldieren.
=> Der von der EU nun laut FAZ als „Einigung“ gefeierte aktive Prozess einer „Stimulierung der Binnennachfrage“ ist daher entweder ein ökonomischer Witz, denn zumindest die Lohnerhöhungen wären in einer ungestörten privaten Marktwirtschaft ein passiver Automatismus (die Aufwertung im EUR-Raum natürlich nicht – deren Unmöglichkeit ist ja die Quelle aller EUR-Probleme seit 12 Jahren) – und eben nichts, was ein Politiker und EUlitist per ordre der mufti herbeiregulieren könnte!
Oder aber die EU meint das nun tatsächlich ernst: dann kann und muss man allergrößte Sorge um die (Reste der) Marktwirtschaft in EUropa haben, denn jede andere „Stimulierung der Binnennachfrage“ als die über Lohnerhöhungen und Währungsaufwertung kann nur planwirtschaftlich durch den Staat erfolgen, der hierfür jedoch (dank EUR-Rettungen) keinerlei Geld mehr hat und sich so –absehbar– weiter verschulden muss, um irgendetwas keynesianisch zu „stimulieren“. Mit dem ganzen Rattenschwanz an Folgeproblemen eines unnatürlichen Eingriffs in sonst marktwirtschaftlich ablaufende Vorgänge, der dann in EUlitärer Denke wiederum nur durch weitere planwirtschaftliche Eingriffe entschärft werden kann. Das ist das, was ich immer als Teufelskreis der sozialistischen Makroklempnerei bezeichne. Endpunkt solcher Regelungswut ist immer die totale Demotivierung aller Leistungsträger, so dass ein planwirtschaftliches System im Endstadium nur noch Mangel verwalten kann, weil niemand ohne persönliche Gewinnaussicht mehr etwas produzieren will. So ein System muss letztlich sogar Leistungsnormen einführen und deren Erfüllung erzwingen, damit überhaupt noch jemand arbeitet… Been there, done that. Haben wir gar nichts aus den Jahren 1917-1989 gelernt?
=> Willkommen also im planwirtschaftlichen EUropa – und ganz besonders im Haupt-Zahlerstaat dieser Planwirtschaft, Deutschland...
Und da wir gerade bei der FAZ sind: Aus dem o.g. FAZ-Artikel auch noch folgende interessante Info – wiederum sind zwei Interpretationsmöglichkeiten gegeben:
„Der Bundestag wird in diesem Jahr nicht mehr über den permanenten Rettungsfonds abstimmen. In Berlin wurde seitens der Führung der Bundesregierung bekannt, dass Bundestag und Bundesrat den unbefristeten europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) nicht mehr im Jahr 2011 ratifizieren werden. Bisher war verbreitet worden, die parlamentarischen Beratungen über den ESM-Vertrag sollten im Dezember abgeschlossen sein. Nun wurde darauf verwiesen, der Zeitplan lasse sich nicht einhalten. Die entsprechenden Unterlagen aus Brüssel lägen noch nicht vor. Frühestens am 5. Oktober könnte sich das Kabinett mit dem Ratifizierungsgesetz befassen. Wegen der Beratungsfristen in Bundestag und Bundesrat, auf deren Verkürzung die Bundesregierung verzichten will, könne das Ratifizierungsgesetz erst im ersten Quartal 2012 verabschiedet werden. Das Vertragswerk soll Mitte nächsten Jahres in Kraft treten.“
=> Was der ESM bedeutet – darüber sollte für aufmerksame Blogleser kein Zweifel bestehen (für reine Mainstream-Leser leider doch, darum hier und hier und hier noch wichtige Links zum Thema). Wenn die Bundesregierung nun die Entscheidung zu dieser ihr offenbar so wichtigen Selbstentmachtung zugunsten eines suprastaatlichen Vehikels namens ESM verschiebt, so kann dies zweierlei bedeuten:
a) Der Widerstand im Volk (morgen 17.9. zB Demo in Stuttgart), in immer mehr Verbänden (Mittelstandsverbände, Bund der Steuerzahler, Familienunternehmer usw.), und auch im stetig wachsenden volksnahen Schäffler-Flügel der FDP (Mitgliederentscheid zum ESM „droht“ – Ablehnung des ESM dabei durchaus wahrscheinlich) ist inzwischen derart groß, dass die totalitären Debattenverweigerer in der Regierung erst mal Ruhe einziehen lassen wollen und den ESM "über die Zeitschiene" und leise erst 2012 durchsetzen wollen. Merkel sagte heute zB: "Alles, was diesem Ziel [EUR-Rettung] dient, ist zu tun. Alles, was diesem Ziel nicht dient, ist zu unterlassen". Und ihr Adlatus Meister verbreitet ebenfalls den Stuss, dass eherne Wirtschaftsregeln letztlich durch schweigendes Ignorieren ihrer Existenz und durch psychologische Tricks außer Kraft gesetzt werden könnten. Dass sich also ein sterbenskrankes Pferd wie das EUR-System durch Totschweigen seines Zustands noch weiter reiten ließe:
"CDU/CSU-Fraktionsvize Meister beklagte, die Debatte über eine geordnete Insolvenz Griechenlands habe bereits massiven Schaden am Finanzsystem ausgelöst habe. „Wenn man solche Vokabeln in den Mund nimmt, dann befördert man noch, dass man in einen nicht mehr kontrollierbaren, ungeordneten Prozess hineinkommt."
b) Die leider nicht ganz auszuschließende Alternative zur obigen Deutung a) ist ein Trick der Regierung (gutgemeinte Warnung an die FDP-Gruppe um Schäffler): Schon im FAZ-Artikel selbst ist angedeutet, dass die Regierung auch beim ESM (wie zuvor schon bei anderen 12-stelligen Bailouts der letzten Monate) „Beratungsfristen verkürzen“ will. Wenn sie dafür eine Mehrheit bekommt, was den noch viel volksferneren SPD und Grünen jederzeit zuzutrauen ist, dann ist es m.E. weiterhin durchaus möglich, dass über den ESM eben doch noch 2011 abgestimmt wird. Vermutlich dann mit sehr kurzem zeitlichen Vorlauf und irgendwann in der besinnlichen Weihnachtszeit. Der federal reserve act vom 23.12.1913 lässt grüßen – die Tricks der Weltregierer sind ja uralt… Dann aber könnte der uU nun durch die angebliche ESM-Abstimmungsverschiebung verlangsamte FDP-Mitgliederentscheid zu spät kommen, um die Haltung der FDP-MdBs noch beeinflussen zu können. Man wird sehen. Österreich immerhin hat in weiser Voraussicht (der FPÖ) schon vor Wochen die Verschiebung der ESM-Abstimmung auf 2012 beschlossen. Man will wohl doch vorher wissen, ob der Deutsche Bundestag sich ernsthaft faktisch selbst abschafft und das deutsche Volk der EU-Junta unterwirft , bevor man in Wien über den selben Schritt nachdenkt...
PS: Und liebe MdBs, nicht vergessen - schon die Erweiterung des EFSF (im Bundestag am 29.9.2011) ist totalitär und verfassungswidrig! Nicht "nur" der absolut kranke ESM - andere Worte sind hier nicht mehr angebracht. Der Volksverrat via Euro-Rettung begann bereits im Mai 2010 mit dem EFSF I - und schon am 29.9.2011 bestimmen Sie beim EFSF II über einen gewaltigen weiteren Teil der EU-Ermächtigung!