Mit dem heutigen Blogeintrag habe ich extra mehrere Tage gewartet in der Hoffnung, dass jemand in der deutschsprachigen Blogosphäre oder gar in den Qualitätsmedien dieses etwas komplexe Thema aufgreift und der Kelch an mir vorübergeht. Aber nein - Schweigen im Blätterwald trotz eines durchaus bemerkenswerten neuen US-Gesetzes vom 18. März 2010 betreffend die Kapitalverkehrsfreiheit und die finanzielle Privatsphäre der US-Bürger. Und so muss ich Ihnen diesen Blogeintrag nun heute noch freischalten, denn morgen glauben die Leser an einen Aprilscherz - was diese Geschichte explizit NICHT ist.
3 Punkte vorab:
1. Die Kerninformation lautet, dass die USA ausländische Banken unter Ausübung von Druck zwingen will, 30% "withholding tax" auf Erträge aus diesen Konten und Depots einzubehalten. Dies geschieht über gesetzlichen Druck und im Extremfall via exterritorial erzwungener Schließung ausländischer Konten und Depots von US-Bürgern! Zudem verlangen die USA künftig die Offenlegung aller relevanten Daten der US-Kunden und Anlage-Beträge ggü. ihrer Finanzbehörde (IRS) oder dem US-Finanzministerium. Es gibt nur wenige Ausnahmen, die qua neuem Gesetz mehr oder weniger "kraft der Willkür" des Finanzministers verfügt werden können [sic!].
2. Ich kann für die Aussagen im Text keine steuerjuristische Gewähr übernehmen, weil ich hier im Blog vereinfachen muss, weil es bislang kaum ein offizielles Medienecho dazu gibt, weil die Bestimmungen in einem völlig sachfremden Gesetz versteckt sind und weil sich auch die (wenigen) US-Blogger, die überhaupt berichten, nicht ganz einig über die Interpretation sind.
3. Da es Klagen über die (absichtlich) ausgelassenen Quellenangaben im vorigen Blogeintrag gab - hier gleich die drei Quellen vorab, aus denen ich nachfolgend teilweise schamlos direkt übersetze und paraphrasiere:
- "Sovereign Man"-Börsenbrief / Simon Black: "Capital controls in America" [kein Link]
- Marc Nestmann Blog: "Congress Enacts Obama's Anti-Offshore Jobs Bill"
- Zerohedge-Blog / Tyler Durden: "It's Official - America Now Enforces Capital Controls"
=> Ich bitte Sie, Unklarheiten und ggf. Unzulänglichkeiten des Textes in diesen zT umfangreichen Originalquellen oder gleich im 48-seitigen Originalgesetz US H.R. 2847 oder ggf. mit Ihrem US-Steueranwalt abzuklären.
Für nicht-US-Leser gilt hier wieder mal: NOCH betrifft Sie das Ganze nicht, was noch lange nicht bedeutet, dass dieser Schlag gegen die (letzten Reste der) finanzielle(n) Privatheit nicht auch bald hierher kommt (und in Teilen bereits IST - z.B. gibt es auch in Europa teilweise Wegzugsbesteuerungen und "withholding taxes").
Die einschlägigen neuen US-Bestimmungen zur Konten- und Depotkontrolle im Ausland wurden schon am 18. März 2010 von Präsident Obama medial praktisch unbeachtet unterzeichnet, was auch damit zusammenhängen könnte, dass es in dem 17,5 Mrd. Dollar schweren "Hiring Incentives to Restore Employment Act (H.R. 2847)" / "HIRE" eigentlich um die Ankurbelung der US-Beschäftigung geht...
=> Aber in dieser komplexen Welt hängt ja bekanntlich alles mit allem zusammen - und so gestehen wir dem US-Gesetzgeber mal zu, dass er sich im HIRE-Gesetz nicht nur um die Verwendung, sondern auch um die Beschaffung der für die planwirtschaftlichen Maßnahmen erforderlichen 17,5 Mrd. Dollar kümmern wollte...
Es ist das gleiche Prinzip, das auch im deutschen Medienwald immer wieder zieht: Wenn der Staat zu viel ausgibt und Geld für den GESAMThaushalt benötigt, erfindet er neue Steuern, Nothilfen, Gebühren für einen rechtfertigenden guten Zweck:
"Nothilfe Berlin" (1948 ff), "Lastenausgleich" (1952ff), "Kohlepfennig" (1974ff), "Zuschlag für den Sport / die Jugend" / die Wohlfahrt" (seit über 100 Jahren), "Pfennig gegen das Waldsterben" (1970er), "Solidaritätsbeitrag Ost" (1991), "Million für die Bildung" (zeitlos seit Jahrzehnten), "Milliarde gegen die weltweite Klimaerwärmung" (2010), "10 Milliarden gegen die weltweite Klimaabkühlung" (2010er), "100 Milliarden EUR gegen Rechts" (2010er), "1 Billion Globo für die Inflationsopfer" (2020er), usw.
=> Und so verfiel man in den USA zur Rechtfertigung neuer Geldbeitreibung auf die bösen und unpatriotischen Kapitalflüchtigen, die es doch tatsächlich wagen, die Credi der Globalisierung und der Kapitalverkehrsfreiheit ernst zu nehmen und Depots außerhalb der USA (und ggf. sogar in nicht in Dollar denominierten Auslands-Guthaben) zu unterhalten...
Das neue Gesetz schreibt in einem Akt exterritorialer Machtausübung ausländischen Banken ab 2011 (z.T. erst später) vor, dass diese 30% "withholding tax" auf alle Erträge (Zinsen, Dividenden, ...) und sogar auf die Brutto-"Verkaufserlöse" von Wertpapieren einzubehalten haben! Dies gilt insbesondere für Konten von "recalcitrant" (= "trotzigen, sturen, widerspenstigen") Depotinhabern... "Recalcitrant" ist dabei tatsächlich ein offiziell justiziabler Begriff in diesem Gesetz. Als widerspenstig und unkooperativ gelten Individuen, die nicht über ihre ausländische Bank in vernünftigem ("reasonable") Rahmen Informationen an die US-Steuerbehörden weitergegeben sehen wollen. Dabei geht es um so harmlose Infos wie Name, Adresse, Steuer- und Sozialversicherungsnummer, Konto-/Depotnummer, Kontenstände, Depotwerte, Zuflüsse oder Abflüsse zu beliebig vom IRS festlegbaren Zeitpunkten...
Sollte es im Einzelfall in einem Land von Gesetz wegen illegal sein, selbst diese "reasonably" wenigen Kundeninfos weiterzugeben, weil man dort etwa noch das verfassungsbewehrte barbarische Relikt "Bankgeheimnis" vorfindet; kein Problem - das US-Gesetz weiß auch hier Rat: es fordert die Institution höflich auf, die Konten ihrer US-Kunden innerhalb einer "reasonable period of time" zu kündigen. Sehr "reasonable" - nicht wahr?
Aber der US-Gesetzgeber ist sogar NOCH generöser. Denn es gibt Ausnahmen: Falls Sie weniger als 50.000 Dollar im Ausland halten, werden Sie nur abgeschwächt erfasst und müssen vorerst noch etwas weniger private Informationen preisgeben. Dauerhaft ausgenommen sind Sie allerdings nur dann, wenn Sie zufällig eine ausländische Zentralbank oder eine ausländische Regierung oder eine internationale Organisation sind ; oder aber aus anderen Gründen (z.B. weil Sie ab und zu ein dickes Cash-Couvert überreichen) ein so gutes Verhältnis zum Finanzminister bzw. tax secretary haben, dass Sie unter die Eliten-Ausnahmeregelung des Gesetzes fallen: "(4) [the provision] shall not apply to any other class of persons identified by the Secretary for purposes of this subsection as posing a low risk of tax evasion."
=> Kraft seiner Willkür und ohne im Gesetz weiter definierte Kriterien darf der secretary also entscheiden, bei welchen Individuen kein "Steuervermeidungsrisiko" besteht und bei wem folglich weder "withholding tax" noch "Datenoffenlegungspflichten" greifen müssen.
=> "Quod licet Iowi non licet bovi" - "Was dem Jupiter und den Göttern und Eliten erlaubt ist, ist dem Rindvieh Steuernormalbürger noch lange nicht erlaubt". George Orwell hat es in "Animal Farm" etwas profaner als die alten Lateiner auf den Punkt gebracht: "Manche Schweine sind gleicher."
Übrigens: Die Aufgabe der US-Staatsbürgerschaft hilft auch nichts. Seit 2008 ist dann eine exorbitante Wegzugsbesteuerung fällig - selbst auf unrealisierte Gewinne. Niemals geht man so ganz...
Fazit:
Kapitalverkehrskontrollen waren schon seit Jahrhunderten extrem beliebte Instrumente der Regierungen. Sie wurden auch bei uns noch fast bis in die Zeiten der exzessiven Globalisierung genutzt, die dann aber seit den 1970ern offiziell zur tabuisierten, "sakralen" und nicht mehr kritisierbaren Zivilreligion erhoben wurde, was mit offenen Kapitalkontrollen denklogisch unvereinbar war. Und natürlich auch mit den Papiergeld-finanzierten M&A-Schlachten der 1980er, den Heuschreckenraubzügen der 1990er und den via toxic CDOs über den Globus sozialisierten Verlustgebirgen der 2000er. Heute gibt es Kapitalverkehrskontrollen offiziell nur noch in Ländern wie Kuba oder Nordkorea oder anderswo, wo der Besitz von Fremdwährung streng reglementiert oder verboten ist.
Kapitalverkehrskontrollen geben einer Regierung allumfassende wirtschaftliche Macht und Kontrolle über die Währung und über internationale Zahlungsströme und damit über den Zugang zu lohnenden Investitionen. Ganz regelmäßig profitieren davon korrupte und verschwenderische Regierungen sowie ihre korrupten Büttel und Hintermänner, indem sie Wohlstand innerhalb nationalen Grenzen ohne Fluchtmöglichkeit für Normalbürger festhalten und der Zwangsbesteuerung und Zwangs-Inflationierung preisgeben. Der sonst von den Eliten so sehr bekämpfte Nationalstaat hat im internationalen Steuerrecht ein gewolltes Reservat und darf dort gegenüber dem Normalbürger noch ein eisernes Regime führen...
Das neue US-Gesetz ist formal noch kein Gesetz zur Kapitalverkehrskontrolle. Aber es ist ein notwendiger Einstieg auf dem Weg dahin, denn die 30%ige "withholding tax" stellt eine bürokratische Zwangsmaßnahme dar, um den Vermögensstand der Bürger auch außerhalb der US-Grenzen kontrollierbar zu machen und um so nette Dinge wie Vermögenssubstanz-(Doppel-)Besteuerung und ECHTE Kapitalverkehrskontrollen und -verbote in der nahen Zukunft zu ermöglichen. Natürlich nur für private und nicht privilegierte Schafe. Die anderen finden supranationale und "legale" Wege der Umgehung, welche netterweise im neuen US-Gesetz bereits vorgezeichnet sind - schließlich muss in unserer lackierten Mediendemokratie der elitären Heuchler jeder Betrug den oberflächlichen Schein der Legalität ausstrahlen.
Diese Umgehung konnte sogar die wirtschaftlich völlig inkompetente und vergreiste DDR-Nomenklatura noch bis 1989 sicherstellen. Eigentlich sogar noch darüber hinaus: Die Schalck-Golodkowskis und Gysis könnten vermutlich eine Menge Liedchen davon singen, wie die Riege um Honecker herum damals aus Wandlitz große Vermögen ins Ausland geschleust hat. Zu Verurteilungen wegen Veruntreuung von Volksvermögen kam es zwar interessanterweise nur in Einzelfällen - aber die Partei "Die Linke" profitiert gemäß glaubhafter Gerüchte noch heute von dieser Rettung der SED-Gelder und konnte noch lange nach 1989 ihre neuen (alten) Kader aufbauen und bezahlen. Der Großteil des Vermögens dürfte aber in privaten Bonzenkellern gelandet sein. Einiges sicherlich auch in physischer Form. Quod licet eliti ...
In diesem Sinne wünsche ich allen "bovi" und Normalbürgern unter den Lesern einen 1. April ohne allzu derbe Scherze und ein Frohes Osterfest mit physischen, bunten und vielleicht sogar einigen goldenen Ostereiern.