Quizfrage: Welche Zeit im Jahr ist gemäß Lehrbuch des kleinen Zentralbankers die beste, um Nachrichten, über die man keine Diskussionen haben möchte, zu verbreiten? Richtig: seit ganz genau 100 Jahren sind dies die Abendstunden des 23. Dezember. Damals, am 23.12.1913, wurde bekanntlich der so extrem folgenreiche „Federal Reserve Act“ als Gründungsgesetz der Fed in den bereits weihnachtlich-ausgedünnten US-Kongress eingebracht und dort von den wenigen noch geistig und physisch anwesenden Abgeordneten auch quasi ohne öffentliche Diskussion beschlossen. Auch Jens Weidmann von der Deutschen Bundesbank kennt natürlich diese Geschichte. Und so erreichte uns fast auf die Stunde genau 100 Jahre später direkt vor dem Weihnachtsfest eine Information der Bundesbank, die zwar raus musste – zu der man aber aus offensichtlichen Gründen keine große Debatte unter den (hoffentlich abwesenden) Journalisten haben wollte. Die BuBa gab sie via BILD-Kurzmeldung am 23.12.2013 per 23.58 Uhr online frei - und die Print-BILD druckte sie dann am 24.12. in ihrer Weihnachtsausgabe, die explizit unter dem Motto stand „Heute nur gute Nachrichten...“. Und ganz wie intendiert druckten die armen diensthabenden Praktikanten der anderen Mainstream-Redaktionen unkritisch und fast wortgleich der BILD hinterher:
„Endlich! Die Bundesbank holt ihren Goldschatz zurück nach Deutschland!
Berlin – Mehr als 3000 Tonnen Gold [PB: richtig wäre übrigens: 'mehr als 2000 Tonnen'] lagert die Bundesbank im Ausland – nun hat sie einen ersten Teil davon nach Deutschland geholt! In diesem Jahr wurden knapp 37 Tonnen aus Tresoren in New York und Paris nach Frankfurt transportiert, verriet Bundesbank-Präsident Jens Weidmann gegenüber BILD.“
=> Interessant ist weder die Rückholungs-Meldung selbst (die BuBa hatte sie schon vor einem Jahr angekündigt – es waren per 2013 sogar größere Tonnagen zurückerwartet worden als nun angeblich transferiert wurden). Noch der geheuchelt-erleichterte Enthusiasmus der BILD („Endlich!“). Vom mickrigen Wert des Goldes (1,1 Mrd EUR) ganz zu schweigen – etwa in Relation zum Gesamthort oder zu Target2-„Forderungen“ der BuBa oder auch zum ESM-Volumen. Nein: Interessant ist das folgende Detail in der BuBa-BILD-Meldung, das jedes Misstrauen, weswegen wir die Aktion „Holt unser Gold heim“ www.gold-action.de gestartet hatten, bestätigt:
„Eine Sicherheitsfirma ließ einen Teil der Goldbarren [vor dem Transport, noch in den USA] einschmelzen.“
=> Sic! Warum einschmelzen?? Einen Grund zum Einschmelzen gab es nur dann, wenn offenbar die in den 1950ern und 1960ern von der BuBa angekauften Barren nicht mehr unangetastet zum Rücktransport nach Deutschland verfügbar waren – so dass „neue“ Barren mit nun aktuellen 2013er-Nummern gegossen werden mussten, was natürlich auffallen kann, so dass BuBa & BILD nicht umhin kamen, dieses Detail wenigstens zu erwähnen! Übrigens wäre eine Sicherheitsfirma nur für den Transport zuständig und hätte für eine Einschmelzung gar keine Befugnis...
=> Es hatte und hat seinen guten Grund, dass wir in inzwischen zwei Artikeln und zwei Briefen an die Bundesbank vehement auch die Offenlegung der Barrenlisten gefordert hatten! Hier nur ein Auszug aus unserem langen Forderungskatalog an Jens Weidmann vom 16.1.2012 [dokumentiert hier: „Initiativenauftakt Holt unser Gold heim“] :
„Anlage 1 – Weitere Fragen zum Status der deutschen Goldreserven:
1. Gemäß Ihrer Antwort vom 9.12.2011 besitzt die BuBa eine jederzeit aktuell gehaltene Liste aller ihrer Barren über in Summe ca. 3400 Tonnen an allen Lagerstellen.
Zusatzfragen: Gleicht die BuBa diese Liste regelmäßig mit den bekannten und veröffentlichten Barrenlisten der großen Gold-ETFs ab, um mögliche Doppel-Eigentümerschaften zu identifizieren? Was spricht nach Ansicht der BuBa gegen die Veröffentlichung der vollständigen Liste (Sicherheitsbedenken haben diesbezüglich nicht einmal die großen ETFs mit ihren öffentlich bekannten Lagerstellen)?“
=> In der (Nicht-)Antwort der BuBa an uns vom 8.2.2012 hielt BuBa-Pressesprecher Best es nicht einmal für nötig, die angefragten Barrenlisten auch nur zu erwähnen, obwohl sie (wie wir aus unserer Korrespondenz wissen) angeblich vollständig existieren. Wer mauert, hat´s nötig. Das Eingeständnis des Einschmelzens von angeblich vorhandenen BuBa-Goldbarren legt nun nahe, dass mit diesen Barren in den vergangenen Jahrzehnten von den Amerikanern „gehandelt“ wurde – was bei einer reinen Verwahrung durch eine passive Verwahrstelle, die gar eine „Stückschuld“ ggü. dem Auftraggeber hat, selbstredend nicht hätte sein dürfen! Jede denkbare (und bislang ausstehende) „Erklärung“ der BuBa (etwa es sei „umgegossen“ worden, um .995er-„good delivery“-Reinheit zu erreichen oder zu „Kontrollzwecken“, …), wäre unglaubwürdig. Umschmelzen hätte ggf. auch die BuBa selbst in Frankfurt bzw. Hanau lassen können. Das nun gewählte Vorgehen war und ist schlicht geeignet, die intransparente und mit hoher Wahrscheinlichkeit veruntreuende bzw. marktmanipulative und goldpreisdrückende Verwendung (Mehrfach-Entleihungen, Mehrfacheigentümerschaften?!) der angeblich seit 50 Jahren durch die Fed schlicht passiv „verwahrten“ Barren zu verschleiern. Solche manipulative Verwendung deutschen Eigentums wird nun niemals mehr überprüft werden können, da ja nun die alten Barrennummern der 1950er und 1960er per Umschmelzvorgang unwiderruflich physisch zerstört sind.
=> Auch weiterhin fordern wir für das verbleibende „Auslandsgold“ der Deutschen Bundesbank die Veröffentlichung der vollständigen Barrenlisten! Das wäre weder ein „Sicherheitsproblem“ – noch ein administratives: die BuBa hat Listen mit allen Barrennummern an allen Standorten. Die Geheimniskrämerei darüber ist weiterhin einer Institution unwürdig, die sich in der Goldsache selbst (wenn auch nur unter öffentlichem Druck) Transparenz verordnet hat.
Vor dem Hintergrund dieser neuen Informationen bitte ich alle Leser, einen Auszug aus einem Brief des zuständigen (aber nach dem Tenor seines Briefs offenbar genervten) Bundesbank-Vorstandes Thiele an mich bzw. an die Bürgerinitiative „Holt unser Gold heim“ vom 4.9.2013 einfach wirken zu lassen [Grammatikfehler im Original - Korrektur durch PB]:
„Sehr geehrter Herr Boehringer, … Unseren Entscheidungen über die Lagerungsorte der Goldreserven und über die Veröffentlichung der damit verbundenen Informationen unterliegen einer sorgfältigen Abwägung aller aus unserer Sicht relevanten Kriterien. Ich bedauere, dass meine Ausführungen zu der Lagerung der Goldbestände bei unseren ausländischen Lagerstätten im Rahmen der Pressekonferenz, bei meinem Vortrag und in unserem Schreiben vom 8. Februar 2012 Sie noch immer nicht zufrieden gestellt haben, so dass Sie sich veranlasst sehen, uns Ihren Fragenkatalog erneut zu schicken [Anm. PB: Diese „erneute“ Zusendung war persönlich zwischen uns besprochen gewesen – es gab also im Brief keinen Grund, die „erneute Zusendung“ gleich mehrfach zu betonen. Hintergrund der „erneuten“ Zusendung war, dass Herr Thiele –obwohl bereits damals zuständiger Vorstand– angeblich 2012 von der Zusendung des Fragebogens an die Deutsche Bundesbank nichts mitbekommen haben wollte – weswegen die Fragen eben 2013 „erneut“ und in Absprache mit ihm nun direkt an seinen Schreibtisch gesendet worden waren!].
Weitergehende Auskünfte werde ich Ihnen jedoch nicht erteilen können. Ich möchte allerdings noch einmal darauf hinweisen, dass das deutsche Gold ausschließlich bei Notenbanken mit höchster Reputation und zweifelsfreier Integrität lagert. Wir sind aber auch bei unseren Aktivitäten in den Tresoren der anderen Notenbanken im Ausland selbstverständlich an deren Sicherheitsvorgaben und deren räumliche Gegebenheiten vor Ort gebunden. Informationen über unsere Bestände, die interne und vor allem Sicherheitsbelange anderer Notenbanken berühren, dürfen wir nicht offenlegen [Anm. PB: Barrenlisten fallen darunter? Erhöhte deren Veröffentlichung die Diebstahlgefahr aus den Fed-Tresoren??]. Ich kann verstehen, dass dies mitunter unbefriedigend sein mag, denn das Spannungsverhältnis zwischen Transparenz und Vertraulichkeit ist nicht immer einfach zu lösen. Die Bundesbank orientiert sich an [einer wichtigen] Funktion der Goldreserven: der Vertrauensbildung. ...
Ich hoffe, Ihnen mit diesen erneuten [PB: ...] Ausführungen behilflich gewesen zu sein. Mit freundlichen Grüßen, Carl-Ludwig Thiele“
Fazit: Auch weiterhin sind wir und die Öffentlichkeit „nicht zufriedengestellt“ (O-Ton Thiele). Unsere Einschätzung vom 18.1.2013 zur eher symbolischen Rückholung des deutschen BuBa-Goldes bleibt unverändert bestehen. Nach der nun erhaltenen Einschmelzinformation vor dem Rücktransport ist Misstrauen mehr denn je angebracht:
„Die Bundesbank ist [weiterhin] enorm bemüht, einen eher bescheidenen und natürlich in keiner Weise die Existenz ihres unverliehenen Gold-Sollbestands von knapp 3400 Tonnen beweisenden Akt [der Teil-Rückholung] medial maximal zu vermarkten, um die Volksseele zu beruhigen. ... Faktisch-real ist bislang wenig passiert. ... Nicht einmal Audits in den deutschen Tresoren sind glaubhaft anhand von veröffentlichten Barrennummern-Listen gewährleistet. Und wir müssen uns weiterhin auf unvollständige, orakelhaft-doppeldeutige, nicht öffentlich zugängliche oder schlicht nicht existente Auditberichte von BuBa bzw. Fed, BoE, BdF verlassen… Von unabhängigen Wirtschaftsprüfern bestätigte Vollzähligkeits- und Alleineigentümerschafts-Testate aller identifizierbaren Barren werden ebenfalls weiterhin fehlen, was ein anhaltend untragbarer Zustand ist!“
=> Gold ist so selten zu finden wie die Wahrheit in der Politik; und wenn, nur in kleinsten Körnchen.